Alte Männer im Jugendwahn

Rückblende 30 Jahre in die Vergangenheit:

Meine Kumpels Peter, Stephan (R.I.P.) und ich kamen in jenem Jahr, in dem der Iwan das klare Feindbild, ein Saarländer Chef der Dädäärrr und die Welt noch in Ordnung war, auf den Trichter, systematisch die Höhlen unserer Heimat zu erkunden. Eines der ersten Ziele war die Falkenhöhle. Die Ausrüstung war ziemlich abgef*ckt und setzte sich aus ein paar Kerzen und einer postmortalen Taschenlampe zusammen. Die Kerzen gingen in der Höhle aus, die Taschenlampe glimmte am Ende nur noch dunkelrot, was aber unserer Begeisterung und Abenteuerlust keinen Abbruch tat. Ganz im Gegenteil, der Höhlenvirus brach danach erst richtig aus!

Rückblende 50 Minuten in die Vergangenheit:

Ich habe Peter in seinem Elternhaus (und passenderweise in seinem alten Kinderzimmer) aufgesammelt und gemeinsam waren wir auf die Alb gefahren.

Harter Schnitt, Gegenwart:

Wir stehen wie vor 30 Jahren am Eingang der Falkenhöhle, nur mit ein bisschen weniger Haar und etwas mehr Hüftspeck, und starren ins dunkle Loch. Wie damals, ohne Schlaz, ohne Helm und ohne Handschuhe. Wir steigen die Leiter (erinnert sich noch jemand an die aus einem Baumstamm gesägte Treppe, die früher dort stand?) in die Eingangshalle hinunter, wo ich das Hai Täck Befahrungsmaterial ausgebe: Zwei Kerzen und eine Schachtel Streichhölzer pro Person.

Wir zünden jeder eine Kerze an und stolpern durch die kaum zu durchdringende Finsternis der Halle nach hinten. Wir verfehlen sogar fast den Aufstieg in den Terrassengang!

Erkenntnis Nr. 1: Zwei Candela Lichtstärke sind nur wenig heller als dunkel.

Mit nur einer freien Hand zu krabbeln und zu klettern, ist umständlich, macht aber trotzdem Spaß und ist auch für uns alte Knacker zu bewerkstelligen.

Erkenntnis Nr. 2: Der richtige Abenteuerfaktor kommt nicht auf, weil wir jeden Winkel der Höhle kennen und sie keine Überraschungen mehr bereit hält.

Erkenntnis Nr. 3: Wir müssen in nochmals 30 Jahren wiederkommen. Da ist die Höhle dank Alzheimer wieder wie neu.

Wir erreichen gut gelaunt die Halle des Monolithen am Ende der Höhle, klopfen dumme Sprüche und ich schieße ein paar Fotos. Damals, 1985, hatte ich eine komplett murksige Knipse für Disk Film dabei, die körnige, unscharfe und unterbelichtete Fotos lieferte. Diesen Fotoapparat habe ich schon lange nicht mehr, dafür aber sein digitales Äquivalent der Gegenwart: Die Handy-Kamera aus dem Galaxy S3! Damit bekommt man auch ohne Disk Film schlechte Bilder hin.

Erkenntnis Nr. 4: Früher war auch nicht alles besser. Oder umgekehrt.

Selfie mit alten Seckeln
Selfie mit alten Seckeln
Arm- oder Mundleuchter?
Arm- oder Mundleuchter?

Nach dem Disput über die Frage, ob ein Foto, das man von jemand anderem mit dessen Kamera macht, ein Selfie oder ein Fremdie ist, stapfen wir durch den Modder Richtung Tageslicht.

Inzwischen haben sich die Augen an die Dunkelheit adaptiert, so dass wir den Terrassengang im magischen Licht der tanzenden Kerzenflammen bewundern können. Das hat was!

Erkenntnis Nr. 5: LEDs haben mehr Candela und weniger Atmosphäre!

Schließlich stehen wir wieder draußen, in guter Stimmung und ohne dass unterwegs auch nur eine der Kerzen ausgegangen wäre. Wir sind heute halt doch professioneller.

Fremdie: Wie vor 30 Jahren mit raushängendem Hemd
Fremdie: Wie vor 30 Jahren mit raushängendem Hemd