Nach der Grabung im April, fand in der Höhle bei Schelklingen eine Aktion ohne meine Mitwirkung statt, bei der nach jahrelangem Lehmschippen plötzlich eine stark wetterführende Spalte angeschnitten wurde. Mit der Spannung auf dem Siedepunkt, organisierte Martina eine neue Grabung, bei der die Öffnung erweitert und dem Neuland auf die Pelle gerückt werden sollte.
Zuvor musste aber noch ein bisschen Chaos erduldet werden. Zuerst fiel Kumpel Peter aus, der direkt aus München zum Einsatzort reisen wollte. Meine Kameradinnen und Kameraden vom Höhlenverein Blaubeuren hatten auch einen unerwarteten Ausfall zu beklagen. Also musste kurzfristig neues Humankapital herbeitelefoniert werden. Dummerweise war es nicht möglich, die vorhandenen Handys an das Netz des großen, roten Mobilfunkbetreibers anzudocken. Und da faseln die von „Breitbandversorgung“ auf dem Land, wenn nicht mal ein schnöder Yuppielutscher funktioniert… Im nächsten Dorf ließ sich ein Einheimischer dazu erweichen, sein kabelgebundenes Telefon benutzen zu dürfen. Ergebnis: Markus würde kommen, um das Stromaggregat vor der Höhle zu administrieren!
Nach dem Einschlazen und der Einfahrt in die Höhle, erforderte es dezente Gewalt und kostbare Zeit, um den Deckel über dem Zugang in die hinteren Teile zu öffnen. Immerhin war hier bereits der neue, sehr starke Luftzug nicht mehr zu übersehen (bzw. -fühlen)! Das nächste Problem lauerte in der Form von Emma. Auf diesen Namen hört der neue Wagen zum Abtransport des Grabungsaushubs. Doch leider erwies sich Emma bereits für die erste Engstelle als zu korpulent. Nach etlichem Hin und Her, zischten Martina und Claudio mit der störrischen Karre ab nach Hause, um sie auf ein niedrigeres Maß zu stutzen.
Derweil rückten Björn, Dominik und ich in die Höhle ein und nahmen alles Gepäck mit nach hinten zur Grabungsstelle. Wir hatten ein Gerät zur Messung des Kohlendioxidgehalts der Luft dabei. Der Plan war, herauszufinden, ob der neue Luftzug ausreicht, um die Versorgung mit sauberer Atemluft an der Grabungstelle zu gewährleisten. Das Instrument zeigte nach kurzer Zeit einen Wert von 2200 ppm Kohlendioxid an (bei frischer Luft im Freien liegt der Wert bei ca. 380 ppm) und war damit bereits am „Anschlag“ der Skala angekommen! Allerdings zeigte das Gerät bei einer Vergleichsmessung weiter vorne in einer großen Halle das gleiche Ergebnis an. Wir kamen zu dem Schluss, dass der Apparat spinnt (Markus meinte später, dass Kondenswasser auf dem Sensor schuld gewesen sein könnte) und beschlossen, das Problem wie bisher mit der Luftpumpe zu lösen.
Wir verteilten noch etwas Dreck an einen anderen Ablagerungsort, als sich in der Ferne rumpelnd und polternd die Kameraden ankündigten. Claudio, Martina und Otto trudelten mit der verschlankten Emma im Schlepptau ein. Mittag war wegen der vielen Probleme schon vorüber. Also stopften wir uns rasch das mitgebrachte Vesper in die Futterladen und los gings!
Einer grub und die fünf anderen transportierten den Dreck nach vorne. Mit fünf Transporteuren ging das sehr gemütlich. Meine Knie wurden längst nicht so misshandelt wie damals im April, wo wir eine Person weniger waren und längere Kriechstrecken zwischen den Übergabepunkten bewältigt werden mussten. Ja wir konnten den alten und den neuen Grabungswagen parallel einsetzen und so auf eine nette „Schlagzahl“ kommen. Zwischendurch hatte Emma zwar mal ein Rad ab (passend zu den Höfos), doch das konnte auch wieder repariert werden.
Am späten Nachmittag bedurfte es einer kleinen Palastrevolte, um Martina aus der Grabungsstelle herauszuziehen und auch mal die anderen Höfos zum Zuge kommen zu lassen. Björn und Otto schippten auch noch ein paar Fuhren aus dem Loch, als sich gegen 17 Uhr abzuzeichnen begann, dass der Blasendruck einiger Teilnehmer auf kritische Werte gestiegen war. Außerdem kam die Einsicht auf, dass ein großer Felsen vor der Engstelle nur mit rabiatem Bohrhammereinsatz zu beseitigen war.
Ich kraxelte trotzdem erst einmal die niedrige Bodenstufe am derzeitigen Höhlenende hoch und quetschte mich in den unter der Decke weiterführenden Schluf. Helm runter. Ausatmen. Vorwärts. Flach einatmen. Ausatmen. Wieder einen Rucker vor. Weiter hinein in die Engstelle. Näher an die sich dahinter abzeichnende Gangverbreiterung heran. Der starke Luftzug wirbelt bereits Dreckkörner auf. Irgendwann verwehrten die in den Rücken drückenden Felszacken von oben das weitere Vordringen. Immerhin war ich mit dem Kopf fast an der Kante, wo es wieder größer wird. Sorgsam bewegte ich meine Helmlampe hin und her und versuchte den Raum in seiner Ausdehnung zu erfassen. Ich meinte, einen Gang von 3-4 m Höhe und 2 m Breite zu erkennen, oben mit einem Klemmblock unter der Decke.
Die anderen riefen nach mir. Obwohl hyperventilierend vor Gier auf Neuland, zog ich mich zurück. Natürlich spornte meine Schilderung des Gesehenen die anderen nochmal an. Martina versuchte sofort ihr Glück, kam aber auch nicht durch. Dafür war ihre Schätzung der Raumdimensionen hinter der Engstelle deutlich bescheidener als meine. Egal wer Recht hat, der „Verlierer“ kann sich im Zweifelsfall mit der durch den Druck auf den Brustkorb begründeten Hypoxäme herausreden…
Wir packten unsere Siebensachen und zogen gen Tageslicht. Nach dem Umziehen ging es nach Schmiechen, wo ein überaus vergnüglicher Grillabend mit anderen Höfos gefeiert wurde. Gegen halb zwei in der Früh schaffte ich es sogar auch noch nach Hause.