Familientreffen

In der Brust eines jeden Höfos schlägt immer noch das Herz eines Neandertalers, was seine Vorliebe für bisweilen rustikale Auftritte erklärt. Wir hier sind ehrlich zu uns selbst und gestehen unsere paläolithische Prägung ein, weshalb wir an diesem schönen Tag einen Ausflug zu den Wohnhöhlen unserer Vorvätervorvätersväter ins Programm nehmen. Irene, Peter und meine Wenigkeit zischen um 13 Uhr los ins Lonetal. Bei der Vogelherdhöhle wimmelt es von Hominiden, die nur vortäuschen, Vertreter des modernen Menschen zu sein, indem sie statt auf Rentieren auf Konstruktionen aus Leichtmetallrohren herum reiten. In den vielen Jahren seit meinem letzten Besuch  (gefühlt Ende der Eiszeit) wurde hier inzwischen ein archäologischer Park mit Museum errichtet, dem die große und die kleine Vogelherdhöhle einverleibt wurden. Auf Neudeutsch: Zwischen der Höhle und dem von Heimweh geplagten Höfo wurde eine Pay Wall errichtet. Wir sind jedoch nicht blöd und suchen lieber andere Objekte in der Gegend auf, für die man nicht löhnen muss.

Das erste Ziel ist die Bambergerhöhle, die nun rein gar nichts mit einem ehemaligen Kameraden von uns zu tun hat. Sie liegt nur höchstens 5 m von der viel befahrenen Straße entfernt, die das Lonetal kreuzt und ist doch schwer zu erreichen. Der Fuß des Felssporns ist verborgen in einem nahezu undurchdringlichen Dickicht, in dem überall der gemeine Holzbock die Zähne wetzt. Von oben abkletternd finden wir schließlich den kleinen Eingang der Höhle. Gebückt bzw. auf allen Vieren geht es einwärts, über eine kleine Stufe abwärts, dann leicht nach links und wieder rechts nach unten in eine Kammer. Die Höhle ist stark verbrochen, weist jedoch ein paar nette Sinterformen auf und viele Flechten, die im Lampenlicht golden schimmern. Außerdem finden wir einen winzigen, extrem dünnen Bergmolch. Das wars schon!

Im Eingangsbereich der Bambergerhöhle
Im Eingangsbereich der Bambergerhöhle

Auf dem Weg zurück zu unseren blechernen Brontosaurus-Substituten, sehen wir schon von weitem einen vertrauten Hominiden neben einem bekannten Fahrzeug stehen. Es ist Markus, der noch nachgekommen ist. Das nächste Ziel ist der Hohlenstein mit der Bärenhöhle und dem Stadel. Als ich verkünde, dass von unserem jetzigen Standort bis zu dieser Höhle, weiter zum Bockstein und zurück zu Fuß 10 km durchs Lonetal zu bewältigen sind, fällt per Mehrheitsbeschluss die Entscheidung, umweltschädlich mit der Benzinkutsche anzureisen. Wir fahren durch ein paar gottverlassene Dörfer und staunen dafür nicht schlecht über die Menschenmassen in dem winzigen Weiler Lindenau, den wir passieren. Aha, ein gut besuchter Biergarten!

Als wir in dem Wald hinter dem Weiler parken, zuckt Peter schon vor Verlangen nach Flüssiggerste. Er bleibt jedoch noch standhaft und folgt uns abwärts ins Lonetal zum Hohlenstein. In dem Felsen prangen zwei stolze Höhlen, Stätten akribischer Altertumsforschung und Fundort eines toten Neandertalers. Endlich wieder Zuhause bei Papa und Mama! Rechts der Eingang der Bärenhöhle und links der größere Zugang zum Stadel. In die beiden trockenen und überaus wohnlichen Höhlen kann man ein Stück weit ohne Licht hinein spazieren, bis man in beiden auf Gittertore stößt. In der Bärenhöhle sogar auf zwei hintereinander geschaltete Gitter. Ich nehme an, es geht darum, die archäologisch bedeutenden Schichten zu schützen. Die Bärenhöhle hat im Eingangsbereich einen Kamin, der zu einem kleinen, höher gelegenen Eingang führt. Genial, so ist der Rauchabzug gewährleistet und es kann gleichzeitig nicht herein regnen! Außerdem hatte der Höhlenbewohner stets durchs Tal ziehende Mammutherden und Kalathorden im Blick. Der Neandertaler beherrschte zwar nur Schnalz- und Grunzlaute (darin hat er vieles mit dem Oberschwaben gemeinsam) aber Art de vivre hatte er drauf!

Großes Gitter und kleine Menschen: Der Stadel (linker Eingang des Hohlensteins) im Lonetal. Das Gitter soll die archäologisch wertvollen Teile schützen.
Großes Gitter und kleine Menschen: Der Stadel (linker Eingang des Hohlensteins) im Lonetal. Das Gitter soll die archäologisch wertvollen Teile schützen.

Aus einem Buch weiß ich, dass es im Hohlenstein noch zwei weitere Höhlen geben muss, von denen wir jedoch nur eine ausfindig machen können. Wir kraxeln rechts von der Bärenhöhle hoch, queren über dem Portal des Stadel und finden weiter links und etwa 10 m über dem Talgrund einen kleinen Eingang, der etwas verborgen hinter Felsen lauert. Es muss ich um das „Ostloch“ handeln. Man krabbelt rein und steht gleich nach dem Eingang in einer geräumigen Halle ohne besondere Merkmale oder Fortsetzungen. Uk uuk urrrgghh hurrg! Einige Schnalz- und Grunzlaute später stehen wir wieder im Sonnenschein der Zwischeneiszeit und auf dem Weg zurück darf sich Peter (wir anderen tun das natürlich auch) im Biergarten stärken!

Ostloch im Lonetal, östlich oberhalb des Hohlensteins.
Ostloch im Lonetal, östlich oberhalb des Hohlensteins.

Revitalisiert fahren wir weiter, bis die Straße zwischen Öllingen und Bissingen wieder das Lonetal schneidet. Da fahren wir rechts auf einen Feldweg zum Bockstein, der deutlich aus dem Wald aufragt. Auch hier wurde Zacharias Zahnlos, der bedeutende Archäologe aus Entenhausen, fündig und brachte Relikte der fröhlichen Bärenmarksauger ans Tageslicht. Der Weg führt sehr steil hoch und teilt sich. Wir gehen erst nach rechts und finden das Bocksteinloch. Es handelt sich um eine kleine, in zwei Etagen angelegte Höhle, deren Stockwerke durch zwei Boden- bzw. Deckendurchbrüche verbunden sind und durch letztere man ins zweite Stockwerk hochklettern kann. Die Maisonette des Steinzeitmannes! Taglichtöffnungen sorgen für Beleuchtung.

Neandertalers Maisonette: Das Bocksteinloch ganz rechts im Bocksteinfelsen. Eine in 2 Etagen angelegte Kleinhöhle.
Neandertalers Maisonette: Das Bocksteinloch ganz rechts im Bocksteinfelsen. Eine in 2 Etagen angelegte Kleinhöhle.

In diesem Teil des Felsen findet sich auch eine Nischenhöhle, bei der es sich um die Bocksteinschmiede handeln müsste (sie heißt so, weil dort Werkzeuge aus Feuerstein geschlagen wurden).

Wir klettern hoch auf den Felsen zu der Schutzhütte (Peter: „Lass mich raten –  die Bocksteinhütte?“) und genießen kurz die Aussicht auf das stille Tal. Dann geht es schon wieder runter und diesmal auf die andere Seite des Felsens (von unten gesehen links). Dort erwartet uns die größte Höhle, die Bocksteinhöhle. Es handelt sich um eine geräumige, komplett vom Tageslicht durchflutete Halle ohne Schmuck oder Fortsetzungen. Nach links hat sie einen sehr labilen Seitenausgang, in dem ein annähernd runder, riesiger Felsen lebensmüde eingeklemmt ist. Wir passieren ihn und stehen nach ein paar Schritten vor einem kleinen Eingang, der in das Bockstein-Westloch führt. Wieder krabbelt man ein kleines Stück und steht in einer Halle. Sehr ähnlich wie das Ostloch beim Stadel, nur niedriger. Die Befahrung nimmt nur wenige Minuten in Anspruch und rasch sind wir wieder draußen. Es ist schon überraschend spät, weshalb wir die anderen Höhlen streichen und uns auf den Weg nach Hause machen.

Die Bocksteinhöhle. Neandertalermännchen sind auch als Buchstützen und Deckenpfeiler einsetzbar.
Die Bocksteinhöhle. Neandertalermännchen sind auch als Buchstützen und Deckenpfeiler einsetzbar.