Obwohl ich ziemlich technikaffin bin, haben wir in unserer Gruppe bislang die Anschaffung elektronischer Vermessungsgeräte (wie z.B. dem DistoX) vermieden. Die hohen Kosten stehen in keiner Relation zu den paar Höhlen, die wir pro Jahr vermessen. Wir setzen stattdessen auf die altbewährten Peilgeräte mit Magnetkompass und Neigungsmesser.
Nun müssen die optisch-mechanischen Geräte regelmäßig geprüft und kalibriert werden. Die Genauigkeitsangaben der Hersteller sollte man keinesfalls unbesehen übernehmen! Es kann schon mal vorkommen, dass die Kompassdose in der Fabrik nicht sauber ausgerichtet in das Gehäuse eingeklebt wird und man dadurch systematische Fehler erhält. Auch können Stöße beim Transport das Lager der Kompassrose beschädigen und die Genauigkeit der Messung beeinflussen. Unser Schweizer Kollege Bitterli hat sich schon vor Jahren Gedanken zu möglichen Fehlern bei der Vermessung gemacht und wie man diese am besten vermeidet (der Originalbeitrag steht in „Stalactite“ 1/1995).
Wie kontrolliert man nun die Genauigkeit des Kompasses? Eine Möglichkeit, die Segler gerne anwenden, um den Schiffskompass zu justieren, ist, von einem bekannten Standort aus zu bekannten Zeiten die Sonne anzupeilen und die gemessenen Azimute mit den Sollwerten aus astronomischen bzw. nautischen Jahrbüchern zu vergleichen. Alternativ kann man die Sollwerte auch mit einer Astronomiesoftware ausrechnen.
Eine andere Möglichkeit ist, von einem Punkt aus, den man sowohl im Gelände als auch auf der Karte genau lokalisieren kann, rund um sich herum weitere markante Punkte anzupeilen. In diese magnetischen Azimute muss man dann noch die Deklination einrechnen, um die geografischen Azimute zu erhalten. Mit geeignetem Kartenmaterial kann man dann nachmessen, welche Richtungswerte eigentlich vorliegen müssten. Am besten geht es mit digitalen Landkarten bzw. Satellitenbildern, weil man dort sehr weit hineinzoomen und genauer arbeiten kann als mit einer topografischen Karte 1 : 25.000 auf Papier. Die digitalen Tour Explorer-Karten von Magicmaps verfügen über ein praktisches Messwerkzeug, mit dem man direkt am Bildschirm bequem Entfernung und Azimut vom Stand- zum Zielpunkt abgreifen kann. Auch Google Earth verfügt über ein ähnliches Instrument. Witzigerweise liefern Tour Explorer und Google Earth Werte, die sich in unserer Region um ca. 1 Grad unterscheiden. Die GE-Werte sind um 1 Grad größer als die TE-Werte. Wer da nun recht hat: Keine Ahnung. Dieser kleine Unterschied sollte es aber nicht herausreißen, weil man mit dem Freihand gehaltenen Peilkompass eh nicht genauer messen kann.
In einer idealen Welt sollten die gemessenen (und um die Deklination korrigierten) Werte mit denen aus der Karte übereinstimmen. In der Praxis werden die Messwerte aber leicht um die Sollwerte nach Karte streuen. Solange die Streuung gering (und statistisch) ist, ist auch alles in Ordnung. Verdächtig wird es, wenn die Abweichung von Betrag und Richtung her immer gleich groß ist und mehrere Grad beträgt. Dann hat man wohl einen dejustierten Kompass. Leider kann man die kleinen Peilkompasse von Suunto / Silva / Brunton nicht selbst nachjustieren. Man kann aber in praktisch allen Höhlenvermessungsprogrammen den durch die Kalibrierung ermittelten Korrekturfaktor hinterlegen und diesen systematischen Fehler herausrechnen lassen. Unerlässlich ist hier gute Dokumentation, welche Vermessung mit welchem Gerät mit welchem Fehler durchgeführt wurde.
Soweit die Theorie. Die Praxis zeigt, dass man trotzdem Bauchklatscher im Fettnäpfchen landen kann.
Am vergangenen Dienstag bin ich mit meiner Frau auf einen Hügel östlich von Böbingen spaziert, wo ein Wasserhäuschen und ein weiteres Bauwerk stehen. Von dort hat man eine gute Aussicht und ich habe hier meine Peilungen mit dem neuen Silva Sightmaster durchgeführt. Bei der Auswertung am nächsten Tag dann die böse Überraschung: Die Werte lagen fast immer um 10 Grad daneben. Nicht aber bei den Messungen, die in nördlicher Richtung ausgeführt wurden. Ich habe dann schnell vom Küchenfenster aus den Aalener Fernsehturm sowohl mit dem fraglichen Silva als auch mit einem guten Prismenkompass angepeilt: Alles in Ordnung. Magnetische Gegenstände (Brille, Autoschlüssel etc.) bei den Messungen kann ich rasch als Fehlerquelle ausschließen. Sind in dem Wasserhäuschen evtl. Störquellen wie Stahltanks, Pumpen mit Elektromotoren o.ä.?
Heute war ich mit meiner Frau auf einem anderen Hügel (an der Straße zwischen Böbingen und der Beiswanger Kapelle) fernab von Gebäuden und (wichtig!) Stromleitungen. Siehe da: Hier stimmt nun alles. Die Abweichungen zwischen dem Kompass und dem Soll nach Google Earth liegen innerhalb der Toleranz von 1 Grad. Der Kompass ist gut und Korrekturen sind nicht erforderlich. Diese Erfahrung lehrt, dass man beim Kalibrieren des Kompasses und bei der Durchführung einer Höhlenvermessung höllisch auf magnetische Störeinflüsse achten muss, die sonst das Ergebnis verfälschen.