Neue Doline bei Lauterburg (Ostalbkreis)

Sonntag, der 26.09.2004: Die Schwäbische Alb ist in graue Wolken gehüllt, aus denen unentwegt Nieselregen zur Erde niederfällt. Trotz dieser trüben Herbststimmung prescht der böhmische Silberpfeil des Autors, bestückt mit einschlägigen Höhlen-Utensilien im Kofferraum, die Bartholomäer Steige hinauf auf die Albhochfläche. Es ist gegen 14 Uhr. Hinter Bartholomä findet das Fahrzeug einen Stellplatz an dem ersten Wanderparkplatz links der Straße nach Lauterburg. Der einsame Höhlenforscher schnürt die Trekkingstiefel, schwingt den Schleifsack mit der Schutzkleidung und der Lampe auf die Schultern und wandert, der Fotokoffer pendelt am rechten Arm, in die neblige Trübe hinein.

Nebel

Zwei Wochen zuvor hatten sich merkwürdige Ereignisse in der verschlafenen Gemeinde abgespielt. Am Abend des 08.09.2004 erschütterte ein Knall die Gegend und am nächsten Tag fanden verdutzte Anwohner ein unheimliches Loch in einem Acker im Gewann „Faißtäcker“ südlich von Lauterburg vor. Wilde Spekulationen machten die Runde. Meteoriteneinschlag? Illegale Sprengung? Einsturz einer Schatzkammer? Immerhin wurde ein Geologe vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau zu der Lokalität gelockt, der ernüchternd feststellte, dass es sich bei dem Loch um eine ganz ordinäre Doline handle. Am 18.09.2004 berichtete die „Gmünder Tagespost“ mit einem Artikel und zwei Fotos über das Vorkommnis. Weil der Geologe auf dem einen Foto in Sakko und Hemd posiert, ist er wahrscheinlich nicht selbst in das Loch hinunter geklettert.

Das ist also der Zweck der sonntäglichen Forschungsreise: Der Doline, im wahrsten Sinne des Wortes, aus der Perspektive des Höhlenkundlers auf den Grund zu gehen!

Der asphaltierte Wanderweg führt am Waldrand entlang westwärts auf eine leichte Anhöhe hinauf, die als nördlicher Ausläufer des Bärenberges zu verstehen ist. Nach einigen hundert Metern stößt er auf eine Wegkreuzung bei einem auf der Karte als „Sportplatz“ verzeichneten Spiel- und Grillplatz. Nur noch ein kleines Stück weiter Richtung Westen gerät eine mit rot-weißen Trassierbändern abgeschrankte Stelle rechts des Wanderweges ins Blickfeld des Höhlenforschers. Sofort springt der auf die Erschnüffelung unterirdischer Hohlräume trainierte 7. Sinn des Speläologen an! Ca. 20 Schritte durch den Acker und die Sache ist klar: Da ist es, das geheimnisvolle Loch! Es liegt fast senkrecht (ein kleines Stückchen nach Norden versetzt) unter der Überlandleitung.

Abgeschrankte Doline

Der aufdringliche Freund der subterranen Welt hebt zwei Bretter zur Seite, die über dem Höllenschlund liegen.

Bretter auf der Doline

Das Loch hat einen Durchmesser von etwas weniger als einem Meter, ist nahezu perfekt kreisrund und führt an der tiefsten Stelleknapp drei Meter in den älblerischen Untergrund. Die Wände des Zylinders sind senkrecht, teilweise durch Nachbruch auch schon leicht überhängend. Am Boden, an der tiefsten Stelle, führt ein kurzerSchluf Richtung NNW, der aber sofort endet. Diesen Fortsatz kann man auch auf dem Zeitungsfoto erahnen, also hat seit dem Ortstermin durch die Presse bis heute kein großer Nachsturz von Wandmaterial stattgefunden. Apropos Wand: Gewachsener Fels ist nirgendwo aufgeschlossen. Die Doline liegt vollständig im lehmigen, mit Steinen durchsetzten Bodengrund. Dies schmälert ungemein die Aussicht, hier eine Pforte zur Unterwelt aufzustoßen.

Inzwischen hat sich der GPS-Empfänger mit den Satelliten im Orbit dahingehend geeinigt, dass die Doline bei den UTM-Koordinaten (WGS 84) E 571638, N 5402590 und NN 709 liegt.

Blick in die Doline

Einige Fotos später kann sich der Höhlenforscher wieder auf den Weg nach Hause machen, leider ohne spektakuläre Neuigkeiten im Gepäck!

Nachbemerkung: Nur wenige Wochen später war die Doline wieder vollständig aufgefüllt.