Seilfahrt in Saddams Biowaffenküche

Bodenfrost statt Bröckelfrust: Die seit Tagen anhaltende Kälte lässt bei uns die Hoffnung keimen, dass der lockere, zum Nachbruch neigende Boden rund um das Mundloch des Fronholzschachts fest gefroren und auch mit weihnachtsgemästeten Höfos belastbar ist.

Um 13 Uhr lade ich Irene ins Auto und eine halbe Stunde später sind wir im gottverlassenen Niemandsland der östlichsten Ostalb angelangt. Im Wettlauf mit dem Erfrierungstod schlazen und gurten wir uns an und stapfen ein paar Meter bis zum bereits bekannten Höhleneingang. Irgend jemand hat seit dem letzten Besuch den Rest des Zauns weggerissen. Da dafür auch die Brombeerwildnis gestutzt wurde, sieht man jetzt wenigstens den Eingang!

Keine stabilen Bäume weit und breit, weshalb ich kurzentschlossen das Seil in einer weiten Schlinge um eine ganze Gruppe kleinerer Bäume lege. Eine zweite Baumgruppe dient als Rückversicherung. Ich lege das Seil in den Petzl und lasse mich vorsichtig über den Schachtrand gleiten. Erfreut stelle ich fest, dass die Erde und die Steine längst nicht so locker sind, wie wir früher beim Blick von oben vermutet haben. Nach etwa 2 m komme ich an einem aus der Wand hervor stehenden Block an, auf dem ich erst einmal herum trample. Er wackelt nicht, deshalb schnell den Seilschoner ums Seil und weiter geht es in die Tiefe. Die Felswände strotzen vor Lehm, der sich schmatzend an den Schlaz schmiegt.

Kurz über dem Grund sticht mir ein unangenehmer Geruch in die Nase. Ich selbst bin nicht die Quelle, weshalb ich die Abseilfahrt anhalte und den Boden unter mir ableuchte. Igitt, mindestens zwei Fuchskadaver! Da bin ich echt froh, dass ich das Seil beim Abseilen aus dem Seilsack habe ablaufen lassen und es nicht unten in der Bakteriensuppe gelandet ist. Ich habe keinen Bock auf Tollwutmilzbrandhantabandwurmitis und beschließe, ohne Bodenkontakt sofort zum Aufstieg überzugehen. Beim Umhängen der Handsteigklemme passiert mir das Malheur, die Fußschlaufe zu verlieren. Aaah, jetzt muss ich doch runter in die Biowaffenschlonze, um die unverzichtbare Schlaufe zu bergen! Wenn ich eh unten bin, schaue ich mich nun doch kurz um. Der Schacht dürfte knapp 10 m tief sein. Er weist ein elliptisches, auf einer Kluft aufgespanntes Profil auf. Am Boden gehen in der Hauptkluftrichtung zwei kurze Gangstummel weiter, die mit Verbruch und toten Tieren gefüllt sind. Die Felswände weisen Korrosionsmuster auf und sind dick mit Lehm überzogen. Insgesamt passt der alte Höhlenplan von Heinrich & Lehner (1965) ganz gut. Der Gestank ist bestialisch und mir wird klar, warum die Streitkräfte der U.S. of A. damals im Irak vergeblich nach WMDs gesucht haben. Kein Wunder, Saddams Biowaffenküche befindet sich gut versteckt auf der Fernostalb. Ich habe meine Fußschlaufe wieder und spurte so schnell wie möglich am Seil nach oben. Ich fluche noch ein wenig über meinen beknackten Brustgurt, der sich unter Last nicht enger stellen lassen will und mir unnötige Steigverluste einbringt, doch dann wälze ich mich über die Schachtkante in den Schnee und freue mich über die frische, saubere Winterluft. Insgesamt war ich vielleicht für 15 Minuten in der Höhle, wohingegen die diesmal besonders penible Reinigung der Ausrüstung Zuhause über 2 Stunden dauert. Tolles Verhältnis!

Zurück aus der Höhle

 

Irene macht etwas vernünftiges: Sie kneift! Nach dem Einsammeln des Gerödels geht es zurück zum Auto und weiter in die Zivilisation.