Wir fahren hinüber nach Sirchingen, wo wir auf dem Parkplatz des örtlichen Sportvereins erst einmal Mittag in der glühenden Hitze machen. Nach der verdienten Stärkung schultern wir die Schleifsäcke und brechen auf zum nicht weit entfernten „Sirchinger Schacht 2“. An der Hangkante schwärmen wir aus und machen nach wenigen Minuten den Eingang dingfest. Er öffnet sich auf etwa halber Höhe eines Felsens und ist über einen breiten Absatz bequem und sicher erreichbar. In ihm sitzt der Rahmen eines Fledermausgitters, das jetzt natürlich offen ist. Völlig unspektakulär führt ein schmaler, rasch an Höhe gewinnender Gang in die Düsternis des Berges hinein. Schon nach wenigen Schritten nimmt ein harmlos aussehendes Loch die ganze Breite des Höhlenbodens ein. Erst wenn man ein kleines Stück abgestiegen ist, sieht man, dass es einige Meter sehr steil, fast senkrecht, abwärts geht. Kein Wunder, dass hier vor wenigen Jahren ein spielendes Kind abgestürzt ist. Man sieht es dem Loch einfach nicht an, was es in sich hat! Wir beschließen jedenfalls, uns nicht als Fallkünstler zu betätigen, sondern uns stattdessen ganz gediegen abzuseilen. Schließlich befinden sich alle Personen in unserer Mann- und Frauschaft in einem Alter, in dem komplexe Brüche nicht mehr so schnell verheilen.
In der Felswand am Schachtmund stecken verfaulte Kletterhaken, vergammelte Spits und ein paar recht neu aussehende Expressanker. Leider scheint in der Höfoszene der Trend zum 10 mmm-Anker zu gehen, während durch die Bohrungen unserer mitgebrachten Laschen nur 8er hindurch passen. Das war auch vor kurzem in der „Alzheimer“ Klufthöhle so. Folglich müssen wir unsere eigenen 8 mm Expressanker setzen. Schnell ist die knuffige Metabo gezückt und sind unter martialischem Gedröhne die Löcher für die Seilbefestigung gebohrt. Ich seile mich als erster in den insgesamt etwa 5 m tiefen Schacht ab. Oben hat man immer Wandkontakt, nur das letzte Stück ist senkrecht. Durch den Wandkontakt kann man sich schon hier kräftig mit Lehm einsauen. Am Grund geht es schräg abwärts durch eine Bückstelle in einen nach oben ziehenden Parallelschacht, der weiter oben durch ein Guckloch mit dem Hauptschacht verbunden ist. Eine schöne Sinterkaskade „ergießt“ sich in diesen Raum. Der Boden fällt steil ab zu einem erneut ganz unscheinbaren Loch im Grund. Ich leuchte hinunter und kann etwa 10 m tiefer den Boden sehen. Diesmal geht es komplett senkrecht in die Tiefe!
Die anderen kommen nach und in einem noch nicht perfekten, doch ganz ordentlichen Zusammenspiel richten wir die nächste Seilbefestigung ein. Direkt über dem Mundloch des zweiten Schachts muss wieder ein Expressanker gesetzt werden, um das Seil perfekt ohne Felskontakt zu verlegen. Ich lasse mich ausgestreckt durch das enge, senkrecht abwärts führende Loch rutschen, das sich gleich wieder erweitert und kann nun die knapp 10 m tiefe bzw. lange Abseilfahrt am frei hängenden Seil genießen. Der Schacht weitet sich zu einem hohen, canyonartigen Raum, in dem man noch das „phreatische Deckenmäander“ aus der Entstehungszeit der Höhle sehen kann.
Nach ein paar Sekunden setze ich weich unten auf und kurze Zeit später sind auch die Kameraden angekommen. Selbst die immer coole Irene lässt beim Abseilen einen Kommentar a la „obermega!“ ab. Wie siehts hier unten aus? Während die eine Felswand vom Tropfwasser scharfkantig korrodiert ist, ist die andere von einigen Sinterformen überzogen.
Am einen Ende des Canyons kommt von links ein niedriger Gang herein, der nach ein paar Metern im zähen Lehm endet. Sein Profil ist weich gerundet und man erkennt die Entstehung durch fließendes Wasser. Am anderen Ende des Canyons kommt ein zweiter Gang von rechts, der aber sofort im Sediment endet. Dieser untere Höhlenteil ist sehr feucht und stark verlehmt.
Nachdem wir genügend Fotos und Videoaufnahmen gemacht haben, steigen wir der Reihe nach wieder am Seil auf. Die Einstiegsengstelle ist gegen die Schwerkraft besser bezwingbar als zunächst befürchtet. Mit ein bisschen Gefluche kommt jeder wohlbehalten oben an. Wir ziehen das Seil und den daran angehängten Schleifsack mit der Fototonne hoch (den schweren Bohrhammer und das andere Werkzeug haben wir nicht mit ganz hinunter genommen). Die anderen gehen schon mal den nächsten Schacht hoch, während ich das Seil ausbaue und alles Material in den Schleifsack stopfe. Die Muttern und Unterlagsscheiben lasse ich auf den Expressankern zurück, damit sie vielleicht unseren Nachfolgern etwas nützen. Mit dem ziemlich prallen Schleifsack komme ich als letzter ganz oben an. Ausschlazen und zusammenpacken geht fix, ebenso der Rückweg zum Auto.
Eine nette Höhle! Die Tour in den Sirchinger Schacht hat Spaß gemacht, trotz der notwendigen Reinigung der total eingesifften Ausrüstung. Ich freue mich schon auf die nächste Seilfahrt in die Unterwelt.