Die Höhlenmalereien der Cueva de la Pileta (Andalusien)
Am Samstag, dem 16.06.2007 navigiere ich das Auto von der sonnigen Mittelmeerküste die lange, kurvenreiche Straße zwischen Marbella und Ronda hinauf. Die Wolken, der Nebel und der Nieselregen in den Bergen lassen mitten in Andalucía eine ganz und gar „älplerische“ Stimmung aufkommen.
Ich lasse Ronda aber links liegen und biege kurze Zeit später ab nach Benaoján. An einem Aussichtspunkt kurz hinter genanntem Ort mache ich ein paar Fotos, weil die Landschaft trotz dickem Gewölk gar nicht übel aussieht.
Noch ein paar Meter weiter erreiche ich mein Ziel, die Cueva de la Pileta. Es geht rechts eine kleine Stichstraße hoch zu einem Parkplatz. Einige Höhenmeter müssen zudem über einen alpinen Pfad zu Fuß erklommen werden, dann stehe ich vor dem Eingang. Laut Google Earth sind seine Koordinaten 36°41’28.50″N und 5°16’12.06″W. Rechts davon ist ein kleiner, überdachter Platz und ein verschlossener Kiosk. Alles menschenleer. Hinter dem Gitter vor dem fast kreisrunden Eingang höre ich aber Stimmen und kann im Innern der Höhle ein paar Leute mit Lampen sehen. Ich mache mich bemerkbar und ein älterer Herr öffnet mir die Tür. Ich habe Glück und kann mich der abmarschbereiten Führungsgruppe anschließen! Rasch noch den Eintritt über sechs Euro geblecht und los gehts! Die Führung macht ein jüngerer Mann, der auf Spanisch und Englisch Wissenswertes über die Höhle berichtet und meine Präsenz nutzt, um sein deutsches höhlenkundliches Vokabular mit meinem abzugleichen.
Die Höhle ist nur sehr einfach erschlossen und als Lichtquellen dienen Petroleumlampen. Leider hat unsere ca. 20-köpfige Gruppe nur etwa vier Lampen dabei, so dass manche Leute mehr oder weniger im Dunkeln herumstolpern. Eine eigene Taschenlampe ist also nicht verkehrt, weil die Treppenstufen manchmal glitschig glatt abgetreten sind. Es geht ein paarmal über Treppen auf und ab. Überall stehen massige Stalagmiten herum, die teilweise über zehn Meter hoch in den schwarzen Höhlenhimmel ragen. Auch Stalaktiten gibt es ebenso wie viele Meter lange Sinterfahnen. Natürlich lässt es sich der Höhlenführer nicht nehmen, einer „Tropfsteinorgel“ einige Töne zu entlocken. In den meisten Räumen sind die Tropfsteine recht trocken und bis auf zwei kleine Höhlenseen weist das Loch nur wenig Getröpfel auf. Die Gänge erreichen stellenweise Raumhöhen von 14 m und bis auf eine nur seitwärts passierbare Klamm sind sie immer zwischen vier und zehn Metern breit. Das Auge des Fachmanns macht an der Decke ein phreatisches Deckenmäander aus.
Ein paar mal flitzen Fledermäuse lautlos wie fliegende Geister durch die tanzenden Lichtkegel der Petroleumlampen.
An einer Stelle führt ein Schacht in nicht ausgebaute Teile hinab, in denen menschliche Skelette aus der Steinzeit gefunden wurden. Überhaupt ist die Steinzeit für diese Höhle viel wichtiger als alle Sinterformationen zusammen! Schon kurz nach dem Eingang liegen in einer Nische rechts Scherben von Tongefäßen aus der Jungsteinzeit. Alsbald tauchen die wirklich bedeutenden Dinge auf: Höhlenmalereien! Meistens handelt es sich um mit roten und schwarzen Strichen ausgeführte Tierfiguren. Stiere sind zu erkennen, ebenso Ziegen und ähnliches Hornvieh. Andere Figuren dagegen sind nur mit viel Phantasie zu deuten. Die Tierfiguren stammen aus dem Jungpaläolithikum und sind bis zu 30.000 Jahre alt. Noch viel häufiger kommen stets schwarze kammartige Muster vor. O.k., wie wir alle wissen, waren die Steinzeitmenschen stark behaarte Burschen und um die ganze Haarpracht am verfilzen zu hindern, spielten in der Kultur des Homo sapiens praehistoriensis eben Kämme eine so existenzielle Rolle, dass die heiligen Geräte als Abbildungen in Höhlen angebetet wurden. Oh mächtige Kammgottheit, möge Dein Wille geschehen und viele Läuse gelöst werden ohne Ziepen! Ernsthaft weiter im Text. Richtig mystisch wird es bei einigen schachbrettartigen Mustern in Ockerrot, die aus jeweils vier Quadranten aufgebaut sind. Es soll sich um einen Mondkalender handeln. Ich hoffe, hier hat sich kein Meister der prähistorischen Wissenschaft in einem Deutungsmarathon verrannt… Ich bin aber begeistert, zum ersten Mal in meiner Höfo-Karriere „richtig echte“ Höhlenmalereien zu sehen.
Nach grob geschätzten 300 m endet die Führung in einem großen Saal, dessen Boden nur 15 cm dick sein soll. Wenn man mit dem Fuß aufstampft, dröhnt es hohl aus der darunter liegenden Etage herauf. Insgesamt ist die Cueva de la Pileta 2300 m lang. An der rechten Seite des Saales ist ein dicker, fetter, saftiger Fisch von den Steinzeitmenschen mit schwarzen Linien an die Wand gezeichnet worden. Die Zeichnung ist über einen Meter lang und in ihr befindet sich eine weitere Figur, die einen Seehund darstellen soll.
Eine Stunde später befinden sich alle wieder in der Eingangshalle. Leider ist das Fotografieren in der Höhle verboten, so dass nun einige rasch erworbene Fotopostkarten die Erinnerung ergänzen müssen. Der geneigte Leser kann aber mit einer Suchmaschine seiner Wahl problemlos im Internet Fotos aus dem Höhleninneren finden.