Vor ein paar Wochen war Peter bei mir und berichtete von einer kleinen Höhle, die er zusammen mit seinen Buben im Donautal gefunden hatte. Der Eingang soll hinter dichtem Dornengestrüpp verborgen liegen. Ich warf sofort einen Blick in „Spelix“ und stellte erfreut fest, dass an der von Peter angegebenen Position im Höhlenkataster kein Eintrag existiert. Eine Nachfrage beim Katasterführer ergab ebenfalls keinen Hinweis darauf, dass die Höhle eventuell schon einmal von Höfos bearbeitet worden ist. Damit war klar, dass wir uns einmal an der schönen blauen Donau umsehen würden!
Für 13 Uhr habe ich mich mit Peter am Bahnhof in Rechtenstein verabredet. Leider hat mein Höhlenkumpel mit Baustellen, Umleitungen und Staus zu kämpfen, so dass ich erst einmal für längere Zeit alleine auf der Terrasse der Bahnhofsgaststätte abhängen muss. Als Peter allen Hemmnissen zum Trotz schließlich am Ort des Geschehens eingetrudelt ist und seinen Durst gestillt hat, brechen wir zu heldenhaften Taten auf. Im Walzertakt tänzeln wir geschmeidig von der Donau auf den plateauartigen Berg hinter Rechtenstein hinauf, lernen unterwegs eine sympathische Einheimische (so wie man einen Mund voll Reißnägel sympathisch finden kann aber nicht muss) kennen und stehen schließlich oben auf einem bestimmten Felsen. Seitlich am Felsen brechen wir unseren Weg durch wirklich dichtes Dornengeranke und stehen bald vor dem Höhleneingang.
Die Höhle ist großräumig und freundlich, nur leider nicht sehr lang. Der Laserpeilomat verrät mit brutaler Präzision, dass der Eingang neun Meter breit und drei Meter hoch ist. Von der Trauflinie bis zum tagfernsten Punkt erstreckt sich der Hohlraum zehn Meter weit in den Fels. Im Grunde handelt es sich gerade eben um eine „richtige“ Höhle und nicht um eine Halbhöhle. Dafür kann man überall stehen und das Tageslicht durchflutet nahezu die ganze Kaverne. Nur ganz hinten führt ein Schluf weiter. Um ganz sicher zu gehen, dass wir an dieser Stelle nicht den Eingang in ein kilometerlanges Tropfsteinhöhlensystem verpassen, schlüpfe ich in den Schlaz, schnalle mir die Stirnlampe um den Kopf und krabble in das Loch. Nachdem ich ein paar Steine zur Seite geräumt habe, sehe ich, dass sich der Schluf nach zwei Metern zu einem faustgroßen Loch verengt, das zu allen Seiten vom festen Fels begrenzt wird. Hier geht nix!
Nachdem die Grenzen abgesteckt sind, zücken Peter und ich die Fotoapparate und dokumentieren die Höhle lichtbildtechnisch. Peter gebärdet sich wie ein japanischer Tourist und lässt seine Kamera im Dauerfeuer rattern. Nachdem die letzte Verschlusslamelle rot glüht, steigen wir um auf die Höhlenvermessung. Wir bringen drei Messzüge in dem Hohlraum unter, bevor ich mich hinsetze und alles so genau wie möglich aufmale. Der Laser-Entfernungsmesser ist dabei eine echte Arbeitserleichterung, da man mit seiner Hilfe schnell jede Menge Messdaten gewinnen kann.
Obwohl die Höhle nur ein kleines Stück vom Dorf entfernt liegt und der große Eingang früher sicher sehr gut zu sehen war (das Gestrüpp ist kaum älter als zehn Jahre), weist sie kaum Zivilisationsmüll auf. Ein paar Glasscherben und das wars. Die Höhle scheint nur selten besucht zu werden.
Wir packen unsere Sachen und gehen wieder hinunter in den Ort und stärken uns nach einem Spaziergang entlang der Donau und einem Besuch der altbekannten Geisterhöhle in der Gaststätte mit Kuchen und Spezi. Peter hängt den Journalisten raus und befragt ein paar Einheimische nach der Höhle. Den meisten Leuten, auch den älteren, ist sie unbekannt! Nur die Juniorchefin von der Gaststätte erwähnt, dass sie als Kind in dem Loch gespielt hat. Einen Namen hat die Höhle nicht. Das heißt, dass Peters Söhne die Ehre haben, diesen Karsthohlraum zu taufen! Bin gespannt, wie die Wahl ausfällt.
Am Abend setzen wir uns in unsere treuen Automobile und steuern die Heimathäfen an.