Der Bunker im Bauernhölzle 1 (Katasternummer 7124/11K) in Schwäbisch Gmünd

Zusammenfassung

Beim „Bunker im Bauernhölzle 1“ (Katasternummer 7124/11K) handelt es sich um einen 200 m langen Stollen im Stadtgebiet von Schwäbisch Gmünd. Er wurde vermutlich im 2. Weltkrieg als Luftschutzstollen angelegt. Lange Zeit galt er als unzugänglich, doch im Jahr 2015 konnte das unterirdische Bauwerk untersucht und vermessen werden. Der Stollen befindet sich geologisch in der Löwenstein-Formation (Keuper). Interessant ist der Bunker wegen seiner Sinterbildungen und wegen der Einblicke, die er in die örtliche Geologie gestattet.

Lage und Zugang

Das Untersuchungsgebiet befindet sich in der Stadt Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis, Baden‐Württemberg. Es wird von Blatt 7124 Schwäbisch Gmünd-Nord der topografischen Karte 1 : 25.000 abgedeckt. Von Nordwesten her mündet der (teilweise eingedolte) Wetzgauer Bach, dessen Tal sich zwischen 70 und 90 Höhenmeter in das Umland eingetieft hat, in die Rems. Die Höhen östlich des Wetzgauer Baches tragen aufgrund ihrer relativen Steilheit den Namen „Kleine Schweiz“. Das im Norden angrenzende Flurstück wird auf der topografischen Karte als „Bauernhölzle“ bezeichnet, welches dem „Bunker im Bauernhölzle 1“ seinen folglich nicht ganz zutreffenden Namen verlieh.

Die Eingänge des Bunkers liegen auf dem ehemaligen Werksgelände der Firma Ritz Pumpenfabrik in der Becherlehenstraße 26 in Schwäbisch Gmünd. Heute wird das Areal von der „Manufaktur B26“ benutzt, einer „Event Location“ mit Automobilmuseum. Um in dem engen Tal Raum für die Fabrikgebäude zu schaffen, wurde der östliche Talhang in zwei Stufen terrassenförmig abgetragen. Die Grenze zum sich nördlich anschließenden, höher gelegenen Nachbargrundstück wird durch eine Betonmauer stabilisiert. Am hinteren Ende dieser Mauer, aber auf der unteren Stufe, befindet sich der ehemalige Haupteingang des Bunkers im Bauernhölzle 1. Er ist zugemauert, wobei man die Stelle aufgrund des abweichenden Baumaterials noch erkennt.

Die obere Terrassenstufe wird nach Osten hin von einer Steilböschung bzw. naturbelassenen Felswand begrenzt. Am nördlichen Ende mündet von Osten her eine Klinge ein, die den höheren Eingang des Bunkers beherbergt. Der Eingang öffnet sich etwa 13 m hinter der Einmündung der Klinge unter einem zu den Seiten hin offenen Betonvorbau.

Die UTM-Koordinaten des höheren Eingangs lauten Zone 32N, 558789 E, 5406445 N. Diese entsprechen den Gauß-Krüger-Koordinaten R 3558887, H 5408169. Die Eingangshöhe beträgt 350 m ü. NN. Die Koordinaten und die Höhe wurden von der digitalen topografischen Karte 1 : 25.000 abgegriffen.

Hinweis: Der Stollen befindet sich in Privatbesitz und ist verschlossen!

Lage und Verlauf des Bunkers relativ zur Erdoberfläche und den Gebäuden
Lage und Verlauf des Bunkers relativ zur Erdoberfläche und den Gebäuden

Beschreibung

Sobald man unter den genannten Vorbau aus Beton gekrabbelt ist, sitzt man vor dem etwa 1,3 m hohen und ebenso breiten Eingang. Dieser ist mit einem Gitter verschlossen. Hinter dem Gitter rutscht man über eine kurze Stufe abwärts und landet in einem Gang, in dem man bequem aufrecht stehen kann. Der Boden besteht aus einer nassen Mischung von Lehm, Sand und organischem Material, das der Bach bei Hochwasser aus der Klinge in den Bunker spült. Der Gang knickt nach rechts und fällt nochmals über eine lehmige Stufe ab. Ein Handseil gestaltet an dieser Stelle den Rückweg einfacher, ist aber nicht zwingend erforderlich. In dem anschließenden Horizontalgang passiert man nach wenigen Schritten einen Abschnitt, an dem die linke Wand großflächig zubetoniert ist. Nach einigen weiteren Metern knickt der Gang zweimal links ab. Hier, zwischen den Messpunkten 2.5 und 2.6 des Höhlenplans, stößt man auf einen aus Ziegelsteinen gemauerten Türstock1 und dahinter links erneut auf eine zubetonierte Wandfläche. Es ist unklar, ob hier ein kurzer Verbindungsgang verschlossen oder ein Bereich mit instabilem Gebirge abgestützt wurde. Der Gang biegt nach rechts und nach zehn Metern erreicht man einen geräumigen Stollen, der sich nach links (SW) und rechts (NE) fortsetzt.

Der Stollen weist einen Querschnitt von 2,5 m Breite und 3,0 m Höhe auf, der nach NE und SW allmählich kleiner wird. Besteht die Sohle des Eingangstunnels noch aus feinklastischem Material, herrscht ab hier Verbruchmaterial von Kies- bis zur Blockgröße vor. Auf dem Weg nach rechts (NE) zweigt zuerst ein Gang nach links in einen Parallelstollen ab, bevor man nach rechts in eine etwa 5 m lange Seitenkammer treten kann (Messpunkt 5.1). Die Kammer wird von einem aus Ziegelsteinen gemauerten Türstock ohne Tür von dem Stollen geschieden. In der Kammer selbst befinden sich spärliche Reste einer elektrischen Installation. Man findet auch ein wenig Wandsinter. Der Hauptstollen endet nach weiteren zehn Metern blind. Kurz vor seinem Ende zweigt nach links ein nach sechs Metern endender Seitengang ab (Messpunkt 4.1). Dieser Seitengang wie auch der Endteil des Hauptganges sind wenig von Inkasion betroffen, so dass die ursprüngliche Gangsohle aus schwarzer Gießereischlacke noch offen liegt. Hier finden sich zahlreiche, weiße Sinterbildungen, die mit der schwarzen Schlacke einen lebhaften Kontrast bilden. Es sind sowohl Tropfröhrchen wie auch flächiger Wandsinter und kleine Sinterbecken zu sehen. Es handelt sich dabei um den schönsten Teil des Bunkers.

Sinterbecken am nördlichen Ende des Hauptstollens
Sinterbecken am nördlichen Ende des Hauptstollens

Nach links (SW) setzt sich der Hauptstollen ab der Einmündung des Eingangsstollens 18 m weit fort. Dabei kommt man erneut an einem nach rechts (NW) führenden Querstollen vorbei (Messpunkt 6.6), der in den bereits erwähnten Parallelgang mündet. Am Ende (Messpunkt 6.5) verbindet ein insgesamt 20 m langer Quergang den Hauptstollen und den Parallelstollen. Dieser Quergang weist an beiden Enden kurze Fortsetzungen auf, die blind enden (Messpunkte 8.1 und 10.1). In diesem Gang stößt man auf zwei aus Ziegeln gemauerte Türstöcke. Zwischen diesen sprudelt aus einem zerbrochenen Drainagerohr Wasser aus der Gangsohle. Hier befindet man sich am tiefsten Punkt des Gangsystems, 9 m unter dem Niveau des oberen Eingangs. An dieser Stelle zweigt außerdem der Gang zum zugemauerten unteren Eingang des Stollens nach links ab.

Der Parallelgang, der sich zwischen den Messpunkten 6.3 und 7.1 erstreckt, ist mit 32 m Länge etwas kürzer als der Hauptstollen. An seinem nördlichen Ende ist er versintert. In dem Gang befindet sich eine Konstruktion, deren ursprünglicher Zweck nicht mehr eindeutig festgestellt werden kann. Sie besteht aus einem viereckigen Trichter aus verrostetem Eisenblech, von dem ein Rohr in den Boden führt. Daneben führt ein glasiertes Keramikrohr senkrecht in den Grund. Möglicherweise handelt es sich um die Überbleibsel einer Toilette für die Menschen, die in dem Bunker Schutz gesucht haben.

Einbauten im Stollen – Toilette?
Einbauten im Stollen – Toilette?

Der bei Messpunkt 6.4 nach S führende Gang zum zugemauerten Eingang ist insgesamt 26 m lang und endet im Bereich der abschließenden Mauer im Versturz. Er verläuft durch eine Abfolge von rotbraunen Tonsteinen und hellen Mergeln, welche durch Farbe und Schichtung an Speck erinnert. Daher wurde der Gang von den Forschern auf den Namen „Speckgang“ getauft. Der Speckgang ist stark von Verbruch überprägt, wodurch sich der ursprünglich vermutlich rechteckige Gangquerschnitt einer Parabel angenähert hat. Dieser Gang ist nicht sehr stabil und sollte, wenn überhaupt, nur mit großer Vorsicht befahren werden.

Insgesamt ist das Stollensystem 200 m lang bei 9 m Niveaudifferenz. Der Höhenunterschied wird überwiegend im Stollen vom oberen Eingang überwunden, die übrigen Gänge sind weitestgehend horizontal. Mit Ausnahme der zubetonierten Stelle im Eingangsstollen gibt es keine Hinweise auf verstürzte oder verschlossene Fortsetzungen. Der Bunker kann noch in beinahe der gesamten ursprünglichen Ausdehnung befahren werden.

Wird der Plan des Stollens über ein Luftbild gelegt, fällt auf, dass zwar die Eingänge auf dem ehemaligen Areal der Firma Ritz zu liegen kommen, die Gänge selbst dehnen sich aber unter den Nachbargrundstücken aus. Dabei kommt das nordwestliche Ende einem Gebäude zumindest nahe.

Geologie

Die geologische Karte weist für die Sohle und die Hänge des Tales des Wetzgauer Baches die Gesteine der Löwenstein-Formation (Stubensandstein-Schichten, mittlerer Keuper) aus, ohne diese näher zu differenzieren. In den oberen Bereichen der „Kleinen Schweiz“ stehen ab ca. 400 m ü. NN die Gesteine der Trossingen-Formation (Knollenmergel) an, welche ab etwa 420 m ü. NN von den Schichten des Lias (schwarzer Jura) abgelöst werden.

Aus der geologischen Karte kann auf eine Mächtigkeit der Löwenstein-Formation von ungefähr 80 m im Raum Schwäbisch Gmünd geschlossen werden. Dieses Resultat deckt sich in etwa mit den Angaben aus der Literatur (Geyer & Gwinner, 2011 : 201). Die Basis der Löwenstein-Formation ist im Bereich des Wetzgauer Baches folglich auf etwa 310–320 m ü. NN zu suchen. Der höchste Punkt des Bunkers im Bauernhölzle 1 liegt auf 350 m ü. NN, der tiefste neun Meter tiefer.

Vor Ort im Stollen ist die regelrechte Zweiteilung der geologischen Verhältnisse bemerkenswert. Der nordöstliche Teil des Bunker liegt in einem grobkörnigen, gelblichen, teilweise rötlichen Sandstein. Teilweise sind dunkelrote Tonsteine eingeschaltet. Die Sinterbildungen in diesem Abschnitt legen ein karbonatisches Bindemittel des Sandsteines nahe. Das Gestein weist zudem eine gewisse Stabilität auf, weshalb dieser Gangteil relativ wenig von Deckennachbruch betroffen ist.

Ganz anders die Situation im südwestlichen Teil des Bunkers. Dort ist eine wechselnde Folge von rotvioletten und blassgrünen Tonsteinen bzw. Mergelsteinen anzutreffen. Die Mächtigkeit der einzelnen Schichten liegt im Bereich einiger Dezimeter. Durch die geringe Festigkeit des Tonsteins kam es hier zu ausgeprägtem Nachbrechen der Wände und Firste des Stollens.

Der Fazieswechsel ist im Stollen direkt aufgeschlossen. Die Tonsteine wurden durch Flutereignisse in einer breiten Rinne erosiv abgetragen, welche mit Sand verfüllt wurde. Am Rande dieses Rinnenstranges stößt der jüngere Sandstein lateral an den älteren Tonstein. Vermutlich bewegt man sich hier im mittleren Stubensandstein (Stubensandstein 2), der von drei Sandsteinhorizonten im Wechsel mit Zwischen- bzw. Hangendletten aufgebaut wird (Geyer & Gwinner, 2011 : 203). Der Sandstein hat sich als Rinnenfüllung in den Zwischenletten abgelagert.

Lateraler Übergang von Tonstein zu Sandstein am Rande eines Rinnenstranges. Aufnahme: Irene Sachsenmaier
Lateraler Übergang von Tonstein zu Sandstein am Rande eines Rinnenstranges. Aufnahme: Irene Sachsenmaier

Geschichte

Die Firma Ritz Pumpenfabrik besteht laut Unternehmens-Homepage bereits seit 130 Jahren und ist ein Hersteller von Pumpen und Motoren für den Transport von Flüssigkeiten. 2007 wurde das Betriebsgelände in der Becherlehenstraße nach dem Umzug in ein Gewerbegebiet vor den Toren von Schwäbisch Gmünd aufgegeben (A.A., 2013). Ab 2015 wurden die alten Fabrikhallen von ihrem neuen Eigentümer umgebaut, um sie für Gastronomie und als Automobilmuseum und -Werkstatt zu nutzen.

Über den Bau des Bunkers im Bauernhölzle ist wenig konkretes zu erfahren. Die Ganganlage spricht sehr deutlich für eine geplante Nutzung als Luftschutzstollen. Der um mehrere Ecken gewinkelte Verlauf des Stollens vom oberen Eingang und der dort eingebaute Türstock sollten wohl im Falle eines nahen Bombeneinschlages verhindern, dass sich die Druckwelle der Detonation bis ins Innere der Anlage ausbreiten konnte. Aus demselben Grund wird wahrscheinlich der Speckgang, der lange Stollen vom unteren Eingang, nach links und rechts durch dicke Mauern vom Rest des Gangsystems abgetrennt. Eine ähnliche Bauweise findet sich z.B. auch im Sichelhaldenstollen (Katasternummer 7225/78K) in Heubach (Schuster, 1987).

Interessant ist, dass auf der oberen Terrasse des Firmengeländes, nahe der Klinge, im Jahre 2015 noch eine Splitterschutzzelle (Einmannbunker) stand. Offensichtlich sah die Geschäftsleitung der Firma während des 2. Weltkrieges den Betrieb als durch Luftangriffe stark gefährdet an. Ob der Stollen als Zuflucht für die Mitarbeiter konzipiert wurde oder ob darin auch produziert wurde, ist nicht herauszufinden. Letzteres ist wegen der Gangquerschnitte eher unwahrscheinlich.

Erforschung

Schon Reinhold Kreuz, dem ersten Höhlenforscher, der die Hohlräume in und um Schwäbisch Gmünd systematisch untersucht hat, war die Existenz des Bunkers im Bauernhölzle 1 bekannt (Kreuz, 1978 : 27). Den Eingang klassifizierte er jedoch fälschlich als „massiv vermauert“, weshalb er den Stollen nicht betreten hat.

Im Zusammenhang mit den Umbauten an den Fabrikgebäuden durch den neuen Eigentümer, erhielt unsere Gruppe im Jahr 2015 die Erlaubnis, den Bunker zu dokumentieren. Am 21.06.2015 legten Bernhard Nuding, Irene Sachsenmaier, Roger Schuster und Rudolf Übelhör einen Bussolenzug durch die Gänge. Dazu wurden Peilgeräte (Bussole Fa. Silva, Neigungsmesser Fa. Brunton) und ein Kunststoffmaßband verwendet. Um die Zuverlässigkeit der Datenaufnahme zu erhöhen, wurden immer Hin- und Rückpeilungen durchgeführt. Der Ringschlussfehler konnte durch diese Maßnahme bei weniger als einem halben Prozent gehalten werden. Am 12.07.2015 nahmen Irene Sachsenmaier, Roger Schuster und Rudolf Übelhör ausgehend von dem Bussolenzug die Raumbegrenzungen und den Stolleninhalt auf. Die Reinzeichnung des Plans übernahm Roger Schuster mittels der Softwarepakete Compass und Corel Draw.

Plan
Plan des Bunkers im Bauernhölzle

Bei den beiden Befahrungen wurde zudem die Fotodokumentation durchgeführt. Bei dem ersten Termin fiel außerdem auf, dass das Gitter am oberen Eingang aufgebrochen worden war. Die Eindringlinge haben im Stollen zahlreiche Teelichter hinterlassen. Einige Monate nach den Forschungen gelangten Informationen unkontrolliert an die Presse, was seinen Niederschlag in einem dürftigen Zeitungsartikel fand (A.A., 2016).

Danksagung

Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Architekt Preiß für die unkomplizierte Genehmigung, das Werksgelände zu betreten und den Bunker zu erforschen.

Literaturverzeichnis

A.A. (2013): Wird aus Pumpen- eine Oldtimer-Fabrik?.– Schwäbische Post, 03.11.2013; Aalen.

A.A. (2016): Gmünds größten Bunker wiederentdeckt.– Rems-Zeitung, 11.05.2016; Schwäbisch Gmünd.

Geyer, O.F. & Gwinner, M.P. (2011): Geologie von Baden-Württemberg.– 5. Aufl., 627 S.; Stuttgart.

Kreuz, R. (1978): Natürliche und künstliche Hohlräume im Keuper im Bereich von Schwäbisch Gmünd.– Beiträge zur Höhlen- und Karstkunde in Südwestdeutschland, 16: 7-29; Stuttgart.

Schuster, R. (1987): Bericht über den Sichelhaldenstollen (7225/78).– Der Abseiler, 6: 35-36; Schwäbisch Gmünd.

1Hier und im Folgenden wird der Begriff „Türstock“ im Sinne von Türfutter gebraucht, nicht im bergmännischen Sinne als Ausbauart.