Dokumentation zum Naturdenkmal 4/21 »Linsemerhöhle« bei Bartholomä (Blatt 7225 Heubach)

1 Einleitung

Diese Dokumentation setzt sich mit der als Naturdenkmal 4/21 ausgewiesenen »Linsemerhöhle« bei Bartholomä auseinander.

Verfaßt wurde dieser Bericht auf Veranlassung des Landratsamtes Ostalbkreis, dem die Zerstörung dieser bedeutenden Höhle mitgeteilt worden ist.

Die Dokumentationslage ist relativ dürftig, da die Höhle nur in den 1960er Jahren von Höhlenkundlern bearbeitet worden ist und die überlieferten Berichte lediglich den damaligen Kenntnisstand widerspiegeln.

Eine umfassende Untersuchung mit zeitgemäßen Methoden war nicht möglich, da bereits in den späten 80er Jahren die Verschüttung der Höhle so weit fortgeschritten war, dass ein Betreten der horizontalen Höhlenteile nicht mehr möglich war. Auch ging die Dokumentation mittlerweile verloren, die von den Naturschutzbehörden um 1980 im Zusammenhang mit der Ausweisung zum Naturdenkmal erstellt worden ist.

Die verbliebenen Dokumente, bisher z.T. unveröffentlicht, sowie die Resultate der eigens durchgeführten Erhebungen, werden hiermit erstmals zusammengefaßt und sollen einen Überblick über die Linsemerhöhle und deren natur- und höhlenkundliche Bedeutung geben.

2 Lage

Die Linsemerhöhle liegt im Wald »Linsemer«, ca. 1,7 km W Rötenbach, westlich des Wanderweges von der »Rauhen Wiese« zu den »Drei Linden«. Etwa auf halber Wegstrecke liegt ein aufgelassener Steinbruch, neben dem eine verfallene Holzhütte steht. Dort führt ein undeutlicher Holzabfuhrweg nach SW den Hang hinauf, den man nach etwa 100 m Richtung S verlässt. Nahe eines weiteren Weges liegt der Eingang der Höhle, dessen Koordinaten lauten R: 3569 250, H:5400 275, NN: 715.

Die Linsemerhöhle ist unter der Nummer 7225/18 im Höhlenkataster Schwäbische Alb registriert.

Lageplan Linsemerhöhle

3 Beschreibung

Das Mundloch wird von einer trichterförmigen Doline gebildet, die an der Erdoberfläche einen Durchmesser von rund 2,5 m aufweist und die sich nach unten hin auf etwa 1,5-2 m verengt. Hier führte ein ursprünglich 12 m tiefer Schacht mit leicht elliptischem Profil senkrecht in die Tiefe, der sich nach unten erweiterte und etwa mittig die Decke eines Horizontalgangs durchbrach.

Dieser Gang wies eine horizontale Ausdehnung von 16 m auf und verlief in nahezu E-W-Richtung. Die Gangquerschnitte waren überwiegend durch ein Kastenprofil mit Weiten von 0,8 bis 2 m und Höhen von 1 bis 4 m gekennzeichnet.

Im westlichen Gangast führte ein Kamin 10 m nach oben, der fast die Erdoberfläche erreichte.

Bemerkenswert waren noch die schönen Kristallrasen in diesem Höhlenteil, die im Profil 3 des Höhlenplans eingetragen sind.

Die Bodenfüllung der Höhle bestand teilweise aus Felsblöcken, überwiegend aber offensichtlich aus lockerem, feinklastischen Material wie Höhlenlehm. Dieses Material verschloss anscheinend den Höhlengang an beiden Enden.

Diese Beschreibung stützt sich auf Bleich (1966) und Kreuz (1969-71).

Höhlenplan Linsemerhöhle

Höhlenplan (aus Bleich 1966, Taf. 2D).

4 Geologie und Mineralogie

Die Linsemerhöhle liegt im Massenkalk, in den zahlreiche Kieselknollen eingeschaltet sind, was für eine stratigraphische Zuordnung zum Malm epsilon (oberes Kimmeridgium) spricht. Soweit sich dies im heutigen Zustand beurteilen lässt, ist der Kalk teilweise dolomitisiert, was sich gut mit dem Befund von Merz (1969: 30) deckt.

Über die Genese der Höhle kann aufgrund der dürftigen Informationslage nur spekuliert werden. Aufgrund des Plans kann vermutet werden, dass es sich um eine trocken gefallene frühere Bachhöhle handelt, wofür auch der im Plan eingezeichnete Höhlenlehm spricht.

Der Horizontalgang der Höhle verläuft auf einer Meereshöhe von ziemlich genau 703 m ü. NN, womit die Höhle einem sehr alten Karstniveau zugerechnet werden muß. Dies ist insofern bemerkenswert, da nur rund ein Viertel aller erfaßten Höhlen im Blatt 7225 Heubach auf 700 oder mehr Metern Höhe liegen und dieser alten Höhlengeneration zugehören.

Gemäß Dongus (1962, Abb. 5) ist das Niveau der Höhle der »Hauptoberfläche B« zuzuordnen. In die Hauptoberfläche B hat sich im Mittleren Miozän (vor ca. 15 Mio. Jahren), in einer prä-riesischen Epoche, das Hochtalsystem der »Ochsenbergstufe« eingetieft. Die Linsemerhöhle wäre demnach spätestens in dieser Epoche trocken gefallen und weist ein bemerkenswert hohes Alter auf. Angesichts der in den letzten Jahren neu angefachten Diskussion um das Alter der tiefreichenden Verkarstung scheint eine sorgsame Untersuchung der Linsemerhöhle wünschenswert zu sein.

Zur Beantwortung der Frage nach dem Alter der Höhle kann auch der Höhlenlehm herangezogen werden, der häufig anhand der Korngrößenverteilung der Tonpartikel, des Schwermineralspektrums, des Anteils an Mikrofossilien und dem Gehalt an Pollen wertvolle Fingerzeige liefern kann. Exemplarisch sei zu diesem Themenblock auf die Arbeit vonHinkelbein et al. (1991) verwiesen.

Eine interessante Kleinformation waren auch die bereits angesprochenen Kristallbildungen im westlichen Höhlenteil.

5 Biologie

Keine Informationen vorhanden.

6 Sonstige Beobachtungen

Kreuz (1969-71) vermerkt in der Tagebuchnotiz zu seinem Besuch in der Linsemerhöhle am 27.05.1971 den Fund von acht Patronen MG-Leuchtspurmunition Kal. 7,62 am Schachtboden.

7 Höhlenschutz

7.1 Istzustand

Der 1966 publizierte Höhlenplan (Bleich 1966) zeigt an der Sohle des Schachts einen kleinen Versturzkegel, der wohl natürlich durch sich ablösende Steine im Bereich des Schachtmundes entstanden ist.

Bereits im Jahr 1971 aber erwähnt Kreuz zahlreiche Baumstämme und Holzstangen am Grunde des Schachts, die es den Forschern erschwerten, in den horizontalen Höhlengang hindurchzuschlüpfen.

Anfang der 1980er Jahre fanden Mitglieder der Höhlenkundlichen Arbeitsgemeinschaft Rosenstein / Heubach e.V. noch die gleiche Situation vor.

Bei einem erneuten Besuch im Herbst 1987 lag bereits soviel Holz und Erdreich (Bauaushub?) am Schachtgrund, dass der Durchstieg in den Horizontalgang vollständig blockiert war.

Abstieg in die Linsemerhöhle 1987

Eine weitere Ortsbesichtigung durch ein Team der Heubacher Höhlenforscher zeigte, dass sich an diesem Zustand bis 1994 wenig geändert hatte.

Am 03.10.1998 erlebten zwei Mitglieder der Höhlenkundlichen Arbeitsgemeinschaft Rosenstein / Heubach e.V. bei einer Kontrollbesichtigung eine böse Überraschung: Der Schacht war bis auf die Eingangsdoline vollständig mit Erdreich / Bauaushub aufgefüllt!

Die verbleibende Resttiefe des einstmals 12 m tiefen Schachts betrug zu diesem Zeitpunkt also nur noch 2 m!

Über die Zusammensetzung des Füllmaterials im Schacht kann keine konkrete Angabe gemacht werden, da zumindest die oberste Schicht sorgfältig mit Erdreich abgedeckt worden ist, aus dem einige Holzteile ragten. Vermutlich wurde der Schacht zur »Entsorgung« von Holzabfällen und Baustellenaushub benutzt, wobei natürlich nicht gesagt werden kann, ob doch auch toxische Materialien in die Höhle verbracht worden sind.

Anbetracht der Proportionen der Höhle kann davon ausgegangen werden, dass mindestens 24 m³ Abfall unbekannter Art und Herkunft in der Höhle lagern. Bei entsprechend feinteiligem Material ist es durchaus vorstellbar, dass auch der Horizontalgang ganz oder teilweise mit nachrutschendem Abfall verfüllt worden ist, wodurch das Volumen insgesamt 40 m³ und mehr betragen kann.

Die Zerstörung der Höhle befremdet insofern ganz besonders, da sie seit 1983 als Naturdenkmal ausgewiesen ist und unter besonderem Schutz steht. Wie bereits gezeigt, lag die Hauptphase der Zerstörung nach 1994, als auch die Neufassung des baden-württembergischen Landesnaturschutzgesetzes in kraft getreten war, das Höhlen explizit als schützenswürdige Lebensräume versteht.

Sehr wahrscheinlich wurden auch die Bestimmungen über Abfallbeseitigung bei der Auffüllung der Höhle übertreten.

7.2 Sollanalyse

Angesichts des hohen wissenschaftlichen Wertes der Höhle, der in den vorangestellten Abschnitten angedeutet wurde, und um die potentiellen Risiken zu klären, die von den eingebrachten Abfällen ausgehen können, fordert die Höhlenkundliche Arbeitsgemeinschaft Rosenstein / Heubach e.V. nachdrücklich die Sanierung der Linsemerhöhle!

Die Chancen, die Höhle in einen naturnahen Zustand überzuführen, stehen insgesamt relativ günstig, sofern sich unter den Verunreinigungen keine flüssigen bzw. die Höhlensedimente dauerhaft kontaminierenden Substanzen befinden. In diesem günstigen Fall können die eingebrachten Materialien manuell abgegraben und aus der Höhle geschafft werden.

Die Höhlenkundliche Arbeitsgemeinschaft Rosenstein / Heubach e.V. kann sich um die praktische Umsetzung dieser Aufgabe bemühen, wobei der Umfang der zu bewerkstelligenden Arbeit, die anfallenden Kosten und die technische Organisation am Besten vor Ort durch ein Gespräch mit allen Beteiligten geklärt wird.

 

Literatur

Bleich, K. E. (1966): Zur Altersfrage der Verkarstung und ihrer Phänomene.- Jh. Karst- u. Höhlenkde., 6: 29-50, 15 Abb., 1 Tab., 5 Taf.; München.

Dongus, H. (1962): Alte Landoberflächen der Ostalb.- Forsch. dt. Landeskde., 134: 1-71; Bad Godesberg.

Hinkelbein, K. & Papenfuß, K. & Ufrecht, W. & Wolff, G. (1991): Holozän umgelagerte Sedimente in der Falkensteiner Höhle – Stellungnahme zu einem Beitrag von HASENMAYER (1991).- Laichinger Höhlenfreund, 26 (2): 103-110; Laichingen.

Kreuz, R. (1969-71): Befahrungen und Vermessungen.- Unveröff. Tagebuch (Mskr.); Schwäbisch Gmünd.

Merz, E. (1969): Die Geologie des Blattes Heubach (Nr. 7225), östliche Hälfte (1: 25000).- Diplomarbeit Uni Stuttgart (Mskr.); Stuttgart.