Die Berichterstattung über die Blautopfbefahrungen im Herbst 1995 und Frühjahr 1996

Nein, hier soll nicht ein weiteres Kapitel einer unendlichen Geschichte geschrieben werden, und es soll auch nicht über geologische Fragen gefachsimpelt werden, die Frage ist vielmehr, wie stellte sich die Höhlenforschung in den letzten Monaten für einen außenstehenden aber interessierten Menschen dar? Welche Eindrücke wurden im Zusammenhang mit der Berichterstattung vermittelt? Und schließlich soll eine Bewertung versucht werden, welchen Nutzen diese ungewohnte Publizität für die Höhlenforschung vielleicht gehabt haben mag.

Dabei beschränkt sich diese kleine Untersuchung auf die Printmedien, versucht da aber ein möglichst breites Spektrum zu erfassen, wie aus der Liste der einbezogenen Artikel im Anhang hervorgeht. Sowohl lokale und regionale, wie auch bundesweit verbreitete Zeitschriften wurden einbezogen. Die Auswahl ist willkürlich.

Im Nachhinein lässt sich die Berichterstattung in 4 Phasen gliedern:

  • Ende November/Anfang Dezember 1995, vor der geplanten ersten Tauchfahrt
  • Ende Dezember 1995, als Hasenmayer „Spuren eines Bachbetts mit scharfkantigem Rand“ entdeckte, die er als Argumente für seine Theorie heranzog.
  • Ende Februar/Anfang März, mit den erneuten Tauchgängen und der deutlichen Dokumentation des schon erwähnten Bachbettes
  • Ende April/Anfang Mai, mit der Berichterstattung über die Kritik an Jochen Hasenmayer

Die Fotos

Überschriften und Fotos sind in Zeitungen stets ein Blickfang, der die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich zieht. Daher soll auch hier der erste Blick einmal den Fotos gelten.

 

Speleonaut wird zu Wasser gelassen 3
Speleonaut im Quelltopf 5
Hasenmayer im Speleonaut 5
Speleonaut in der Werkstatt 3
Hasenmayer und Rampe für den Speleonaut 3
Höhlenplan 8
Bachbett 5

Wenn man sich diese Tabelle mit den häufigsten Bildern anschaut, fällt schnell auf, dass die „technische“ Seite des Unternehmens sehr betont wird. 14 Bilder zeigen technische Vorgänge mit und um den Speleonaut, oder den Speleonaut im freien Wasser. Der andere Teil der Bilder konzentriert sich auf die „geologischen“ Aspekte des Themas, den Höhlenplan, oder das für die Argumentation benutzte Bachbett.

Das vermutete Thermalwasserreservoir

Ein meines Erachtens nach wichtiger Punkt für die Höhlenforschung ist, dass in Presseberichten auch deutlich wird, dass trotz der Abenteuerlichkeit der Unternehmungen und dem touristischen Interesse an der Schönheit der Höhlen, zumeist auch ein wissenschaftliches Interesse gegeben ist, dass der Befahrung ein tieferer Zweck zugrunde liegt. Wie immer man auch zur Theorie Hasenmayers stehen mag, so muß man doch zugeben, dass die Befahrungen zum Zwecke der Untermauerung seiner Theorie mit Argumenten und Indizien unternommen werden. dass eventuell auch manchmal ein wirtschaftlicher Aspekt eine Rolle spielt, und manche Aktionen vielleicht mit mehr spektakulärem Aufwand als nötig betrieben werden, ist „mittlerweile ein durchaus legitimes und übliches Mittel die Forschungskasse aufzubessern“1 .Wie dem auch sei, Hasenmayers Vision einer umweltfreundlichen Wärmeversorgung Süddeutschlands scheint einigen Aufwand zu rechtfertigen. Wird dieses, von Hasenmayer angenommene mögliche positive Ergebnis seiner Forschungen aber auch in den Presseberichten aufgegriffen?

Alter der Höhle 13
Energie für Süddeutschland 16
davon im 1. Drittel des Artikels 6
davon im 2. Drittel des Artikels 3
davon im letzten Drittel des Artikels 6
ganzer Artikel bezieht sich darauf 1
Zitat „Riesenrummel um nichts.“ 3
Hasenmayer ist Laie und spekuliert (sinngemäß) 4

Wie die Tabelle zeigt, wird das Thema häufig aufgegriffen, während kritische Stimmen, hauptsächlich des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, wenig zu Wort kommen, und wenn, dann stets nur als zweiter Blick auf das Thema. Auch die Plazierung im Artikel ist günstig, haben Untersuchungen doch gezeigt, dass, wenn der Artikel nicht vollständig gelesen wird, Anfang und Ende eines Artikels häufiger gelesen werden als der Mittelteil. Den Lesern müßte dieser wissenschaftliche Aspekt der Befahrungen also eigentlich aufgefallen sein.

Ein Punkt, der in den Presseberichten oft nicht deutlich wurde, geht auch aus der Tabelle nicht hervor. Zwar wurde wiederholt über die Diskussion um das Alter der Höhle berichtet, aber die Verbindung zwischen diesem Punkt und den möglichen Energiereserven wurde meist nicht richtig hergestellt. Viele Artikel erwähnen entweder den einen oder den anderen Punkt, oder beide, aber ohne den Zusammenhang zu erklären. Dabei ist dieser Zusammenhang höchst bedeutsam. Ein Vertreter des Geologischen Landesamtes formulierte das so: „Ein Beweis für riesige Thermalwasservorkommen unter der Molasse im Alpenvorland oder für ein erheblich höheres Alter der Verkarstung der dortigen Oberjura-Gesteine (nämlich unter der Molasse im nördlichen Alpenvorland) ist schwer zu erbringen.“2Die Annahme Hasenmayers, dass sich die Blauhöhle bis zu den von ihm unter der Molasse vermuteten Systemen erstreckt, fußt aber darauf, dass beide zur gleichen Zeit verkarstet sind: „Im Gegensatz zur geologischen Lehrmeinung diagnostiziert Hasenmayer, gestützt auf seine karsttheoretischen Arbeiten, ein mindestens 25 Millionen Jahre altes Höhlensystem, das die gesamte Alb untertunnelt und nach Süden weiterlauft bis unter den „Fuß“ der Alpen. In den bis zu mehreren tausend Meter tief abgesunkenen Juraschichten erstreckt sich, von der Erdwärme aufgeheizt, ein Heißwasser- Höhlennetz über eine Fläche von 25000 bis 30000 Quadratkilometern“3

Vergleich Focus – Spiegel

Die beiden großen deutschen Nachrichtenmagazine ließen es sich nicht nehmen, über die neuerlichen Befahrungen der Blauhöhle zu berichten. Da diese beiden Artikel vielleicht das größte Publikum erreichten, soll auf sie hier noch etwas näher eingegangen werden, was besonders dadurch interessant wird, dass schon in der Überschrift die Unterschiede deutlich werden: „Trübe Wasser“ titelte der Spiegel, während Focus unter „Auf den Grund gegangen“ Hasenmayer selbst zu Wort kommen ließ.

Im Focus beschreibt Hasenmayer in einer Mischung aus Erlebnisbericht und Wissenschaftsjournalismus seinen Tauchgang in den Blautopf und anschließend seine Theorie in Kurzform. Eine Konstruktionszeichnung des Speleonaut und ausführliche Beschreibung der Sicherheitssysteme nehmen dem Erlebnisbericht ein wenig den Touch des abenteuerlichen. Das Foto vom Bachbett wird als lang gesuchter „Altersbeweis“ präsentiert.

Anders dagegen im Spiegel. Das bekannte Faible der dortigen Autoren für griffige Formulierungen nimmt es mit den Fachtermini nicht so genau: Wassergrotten, Kavernen, Süßwasser- Orkus, Felsschlauch, Uterus der Erdmutter sind nur einige der zahlreichen Variationen und auch der Höhlentaucher selbst muß nicht immer als solcher bezeichnet werden: Bebrillter Thermalsucher, Süßwasser- Akrobat und Hohlraum- Experte scheinen dem Spiegel angemessene Synonyme zu sein. Der Unterschied wird auch deutlich, wenn man sieht, dass im Focus im Anschluß an Hasenmayers eigenen Artikel ein Interview mit einem Geologen der Universität Tübingen abgedruckt ist, der meint, „die These von Herrn Hasenmayer ist durchaus denkbar und keinesfalls völlig abwegig“, während im Spiegel Herr Storch vom Geologischen Landesamt deutlicher wird: „von Geologie hat er aber keine Ahnung“.

Wie bewerte ich nun die beiden Artikel? In meinen Augen haben beide negative Seiten: Während im Focus durch die etwas oberflächliche Art der Argumentation Widerspruch leicht gemacht wird, und so zu schnell das Bild der fleißigen, aber intellektuell etwas beschränkten Autodidakten entsteht, die aufgrund irgendwelcher Hirngespinste durch Schlamm und Wasser kriechen, gibt der Spiegel durch pejorative Formulierungen die ganze Zunft der Höhlenforscher der Lächerlichkeit preis, das Ergebnis bleibt das selbe: Höhlenforscher werden nicht als kompetent in Höhlenfragen gesehen und daher auch nicht zu Rate gezogen, wenn Entscheidungen gefällt werden.

Während meiner Ansicht nach also die Artikel in diesen beiden großen Zeitschriften wenig förderlich waren, so muß doch gesagt werden, dass die Berichterstattung in den regionalen und lokalen Zeitungen recht umfangreich und auch recht fundiert war. Dazu haben sicher nicht zuletzt Verbandsmitglieder beigetragen, die als freie Mitarbeiter das Material lieferten. In diesem Zusammenhang muß ich mich vielleicht auch noch bei Herrn Rahnefeld entschuldigen, da ich in einem anderen Beitrag in Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher einen Artikel von ihm negativ erwähnte, wobei ich aber nun zugeben muß, dass dieses Beispiel schlecht gewählt war und nicht im richtigen Zusammenhang stand.

Mein Beitrag zur Diskussion soll der Anstoß sein, nun, da die Höhlenforschung durch die Blautopfbefahrungen einen gewissen Nachrichtenwert erhalten hat, diese Situation zu nutzen und fundierte Stellungnahmen besonders zu anderen, für die Höhlenforschung relevanter Themen an die Öffentlichkeit zu bringen.

Abschließend soll hier auch noch einmal die Pressemitteilung des Verbandes „Zum Thema Höhlentauchen und den Theorien von Jochen Hasenmayer“ abgedruckt werden, als Information aber auch als Leitlinie und Grundlage zur weiteren Diskussion.

Pressemitteilung

"Höhlentauchen gehört zu den schwierigsten Fachrichtungen der praktischen Höhlenforschung. Die Erforschung von Unterwasserhöhlen erfordert sehr viel Erfahrung und ein hohes Maß an Disziplin - ein Umstand, den sich viele ahnungslose Sporttaucher, die neuerdings in Unterwasserhöhlen drängen, nicht vor Augen führen. Jährlich verunglücken zahlreiche dieser unerfahrenen Sporttaucher in Höhlen. Jochen Hasenmayer hat mit seinen umsichtig und gut geplanten Unternehmungen auch internationale Maßstäbe gesetzt. Zudem zeichnet sich Hasenmayers Arbeit dadurch aus, dass er seine Entdeckungen in einen größeren theoretischen Rahmen stellt. Dies unterscheidet den Forscher vom Sportler. Es kann daher nicht im Sinne der deutschen Höhlenforscher sein, wenn Jochen Hasenmayer auf eine Stufe mit kriminellen Beweisfälschern wie Kujau - dem Fälscher der Hitler- Tagebücher - gestellt wird, wie dies neulich in einer privat gemachten Aussage des Geologen Bernhard Krauthausen gegenüber der Presse geschehen ist.

Es wäre jedoch andererseits zu wünschen, dass die bisher nur mündlich vorgetragenen Theorien von Jochen Hasenmayer schnellstmöglich publiziert werden. Da es wissenschaftlicher Gepflogenheit entspricht, Forschungsergebnisse auch für andere Fachleute nachprüfbar zu machen, ist es weiterhin erforderlich, dass der Blautopf für andere qualifizierte, dem Verband angeschlossene Höhlentaucher zugänglich wird. Hier ist an die zuständigen Behörden zu appellieren, durch verantwortungsbewusstes Verhalten der augenblicklichen Kontroverse entgegenzuwirken.

Ein Beweis für riesige Thermalwasservorkommen unter der Voralpenmolasse oder für ein erheblich höheres Alter der Verkarstung der Schwäbischen Alb ist schwer zu erbringen. Es ist daher an der Zeit, weitere empirische Daten zu sammeln und diese in vertrauensvoller und unvoreingenommener Diskussion, z.B. mit den Fachleuten des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, Stück für Stück zu einem neuen Wissensbild zusammenzutragen.

Eine neue Höhlentauchergeneration ist inzwischen dabei, Daten für eine unabhängige Neubeurteilung zu sammeln. Längst liegt hinter dem Blautopf nicht mehr die größte Wasserhöhle der Schwäbischen Alb. Mit mehr als 5 km erforschten Gängen ist dies eine Quellhöhle im oberen Donautal. Ihre systematische höhlenkundliche Dokumentation - übrigens von den Höhlentauchern ehrenamtlich in ihrer Freizeit erbracht - wird weitere wesentliche Erkenntnisse zu den o.ä. Fragestellungen liefern.

Um die Ausbildung und Zusammenarbeit zu gewährleisten, haben sich die deutschen Höhlentaucher im "Speläo-Aquanauten-Team" (SAT) zusammengeschlossen, einer Arbeitsgemeinschaft, die dem Verband angegliedert ist."

Fußnoten:

  1. Grimminger, Ralf: Exklusives aus den Höhlen, in: Südwest Presse Ulm, 16.12.1995, S. 29
  2. PD. Dr. D.H. Storch, in einem Brief an den Verbandsvorsitzenden vom 17.5.1995
  3. Hasenmayer, Jochen: Die heiße Spur im kalten Blautopf, in: Sonderdruck aus „Baden-Württemberg“ Heft 4/1986, S. 3-4

Untersuchte Artikel

Brueggen, Claudia: Es gibt noch ein zweites Labyrinth, in: Bild (Stuttgart) 27.2. 1996

Efler, Marcus: „Die These ist durchaus denkbar“, in Focus Heft 13/1996, S. 172

Hasenmayer, Jochen: Auf den Grund gegangen, in: Focus Heft 13/1996, S. 168-172

Kammgarn, Betina: Faszination Blautopf: Mit dem Mini-U-Boot ins Höhlenlabyrinth, in: Schwäbische Zeitung, 30.12. 1995

Kuehn, Dieter: Hasenmayer sucht Beweis für seine Theorie in der Tiefe, in Südwest Presse, 4.3.1996

Kurz, Tanja: Das Geheimnis des Blautopfs, in: Stuttgarter Nachrichten, 5.3.1996

N.N.: Taucherpech: Blautopf- Fotos verwackelt, in: Rems-Zeitung, 27.2. 1996

N.N.: Hasenmayer wieder im Blautopf unterwegs, in Rems-Zeitung, 27.2. 1996

N.N.: Hasenmayer nach Blautopffahrt: Beweis liegt auf dem Tisch, in: Reutlinger Generalanzeiger, 5.3.1996

N.N.: Hasenmayer ist sich sicher: Höhlen älter als angenommen, in: Geislinger Zeitung, 5.3.1996

N.N.: Blautopf-Fahrten für die Katz?, in: Reutlinger Generalanzeiger, 7.3.1996

N.N.: Hasenmayer erinnert den Wissenschaftler an von Däniken und Kujau, in: Schwäbische Zeitung, 22.3.1996

N.N.: Trübe Wasser, in: Der Spiegel, Heft 10/1996, S. 215-216

Rahnefeld, Michael: Höhlenforscher taucht ab, in: Schwarzwälder Bote, 24.4. 1996

N.N.: Höhlenfreunde kritisieren Hasenmayer: Schwäbische Zeitung, 26.4.1996

Rahnefeld, Michael: Verbandskritik an Hasenmayer, in Geislinger Zeitung, 29.4. 1996

Rahnefeld, Michael: Taucher Hasenmayer in der Kritik, in: Stuttgarter Nachrichten, 30.4.1996

Rahnefeld, Michael: Heftige Kritik an Hasenmayer, in Reutlinger Generalanzeiger, 2.5.1996

Rumbaur, Konrad: Höhlensucher Hasenmayer mit U-Boot abgetaucht, in: Stuttgarter Nachrichten, 26.2.1996

Rumbaur, Konrad: Höhlenforscher Hasenmayer machte vier Tauchgänge, in: Gmünder Tagespost, 26.2. 1996

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert